Ringen am Schwert: Hebel und Würfe
Hebel oder Brüche?
Wenn Ihr Judo, JuJutsu, Aikido oder eine andere Kampfsportart gemacht habe, dann werden ihr hier viele „alte Bekannte“ wiederfinden. Natürlich ist das zu erwarten. Der menschliche Körper funktioniert seit Jahrhunderten gleich und kann auf die gleiche Form zerstört werden. Hier liegt aber auch der Unterschied zwischen dem historischen Fechten und diesen Kampfsportarten. Die Kampfsportarten sind für die Fechtmatte entwickelt worden. Im Historischen Fechten geht es zunächst einmal um eine wirkungsvolle Selbstverteidigung. Halt um ein Kämpfen im Ernst.
Es geht einfach nicht darum den Gegner mit einem Armstreckhebel zu Boden zu bringen, bis er abklopft. Es geht darum ihn kampfunfähig zu machen und das geht am besten, wenn sein Arm gebrochen ist.
(Lecküchner, 73v)
Item habt Ir payde an gepunden So pegreyff seyn rechte
handt mit deyner lincken und heb da mit hoch auff
und kum deyner lincken handt zu hilff mit deyner
rechten und wendt dich mit deynem ruck gegen Im
und prich Im den armen uber deyn rechte achseln mit
payden henden etc.
Die Übersetzung ins Grobdeutsch:
Wenn ihr angebunden habt,
dann greife sein rechte Hand in Deine linke Hand und hebe die Hand hoch und greife mit Deiner rechten Hand ebenfalls seinen Arm.
Drehe gleichzeitig Deinen Rücken zu ihm und brich ihm den Arm über Deiner rechten Schulter mit beiden Händen.
Ebenfalls ein Armbrechen. Die gleiche Technik, nur mit der Drehung zu anderen Seite.
(Lecküchner, 74r)
Item habtt Ir an gepunden wy vor So greyff mit deyner
rechten handt In seyn rechte und kum deyner rechten mit
deyner lincken zu hilff vorne bey dem glenck und wendt
deyn lincke achsel gegen seym rechten arm und heb den
hoch dar uber und prich Im den armen uber deyn lincke achsel
und maß dich das der olpogen albeg auff dy achsel kum
und mach das wye unten gemalt stett etc.
Übersetzung ins Grobdeutsch:
Wenn ihr angebunden habt, dann greife mit Deiner rechten Hand sein rechte Hand und mit Deiner linken Hand vorne am Gelenk
und wende deine linke Schulter gegen seinen rechten Arm,
heben den Arm hoch darüber und brich ihm den Arm über deiner linken Schulter.
Paß auf, dass Du mit seinem Ellenbogen auf Deine Achsel kommst und mache das was unten gemalt ist
Sehr ähnlich findet sich diese Technik bei Wilhalm
Wenn er nicht zulässt, dass Du seinen Arm auf Deine Schulter hebst, dann ist das auch kein Problem.
Mach es dann einfach so.
(Leküchner, 86v)
Item Greyff mit deyner rechten handt In seyn rechte auß=
bendigs und Tritt mit deynem lincken fuß fur seyn lincken
Indes schlag deyn lincken armen In seyn rechten heb mit
deyner rechten handt auff seyn rechte uber deyn lincken armen
und druck deyn lincken armen fast zu deyner prust und
druck mit der rechten untersich und wurff In fur dich
auff das uber deyn linckes peyn etc.
In Grobhochdeutsch:
Also greife mit Deiner rechten Hand seine rechte Hand von außen und treten gleichzeitig mit Deinem linke Fuß vor seinen linken (wobei Du Dich drehst)
und schlage Deinen linken Arm in seinen rechten Arm (womit Du seinen Arm streckst) und legst Du Deine rechte Hand auf seine rechte Hand über Deine linke Hand
und drücke dabei Deinen linken Arm (und damit auch seinen rechten Arm) fest zu Deiner Brust
und drücke gleichzeitig mit Deiner rechten Hand nach unten.
Damit wirfst Du ihn vor Dich über Dein linkes Bein.
Werfen
(Lecküchner, 77v)
Item hastu In außbendig gefast bey seynem rechten armen mit
deyner rechten handt so zeuch sere seyn rechte mit deyner
rechten und far mit der lincken handt aussen umb seyn
leyb hals und wirff In uber deyn linckes peyn oder huff
Die Übersetzung ins Grobhochdeutsch:
Also, hast Du ihn außen mit Deiner rechten Hand an seinem rechten Arm gefaßt,
dann ziehe seinen rechten Arm mit Deiner rechten Hand und fahre mit der linken Hand um seinen Hals
und wirf ihn über Dein linkes Bein oder Deine Hüfte.
Auf der gleichen Seite wird ein anderes Stück beschrieben, das so ähnlich geht. Die Technik ist die gleiche – aber der Eingang zu dem Wurf ist etwas anders. Die Idee hinter den Stücke ist aber die Gleiche. Sie sollten also als gemeinsames Stück gelesen werden.
Item wenn dir Eyner Ein lauffett Im messer und ist nyder
mit der handt so far mit deynem gehultz aussen Im oben
uber sein armen uber dy rechten handt und druck do mit
nyder und Zeuch dy da mit woll auff deyn prust und
faß In mit der lincken handt bey seynem rechten olpogen
und spring mit dem lincken fuß fur seyn rechten und druck
In also dar uber
Auch hier die Übersetzung ins Grobdeutsch:
Also, wenn einer mit dem Messer einläuft und seine Hand niedrig hält,
dann fahre mit dem Gehilz außen über seine rechte Hand.
Drücke ihn so herunter und ziehe ihn damit auf Deine Brust.
Fasse ihn mit der linken Hand an seinem rechten Ellenbogen und
springe mit dem linken Fuß vor seinen rechten
und drücke ihn so darüber.
Das nachfolgende Bild bezieht sich auf das erste hier dargestellt Stück.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Dynamik in diesen Stück und wie wir überhaupt in die in dem Bild dargestellte Position kommen können.
In dem Moment, in dem wir seine rechte Hand kontrollieren, machen wir mehrere Aktionen gleichzeitig.
Wir machen einen Schritt mit dem linken Fuß vor seinen Rechten und drehen uns dabei nach rechts.
Dabei fangen wir an uns nach links zu drehen und greifen entweder seinen Ellenbogen oder um seinen Hals,
wärend wir seinen rechten Arm vor unseren Körper ziehen und drehen uns dabei weiter nach links.Die Kreisbewegung, auf der wir uns befinden, wird über die Position in dem Bild dargestellt weiter nach links fortgesetzt.
So werfen wir den Gegner entweder über die Hüfte oder unser linkes Bein.
Der ganze Wurf ist also eine dynamische Bewegung, bei der sein Arm gebrochen und er gleichzeitig aus einem Schwitzkasten über die Hüfte, mehr gerollt, als geworfen wird. Eine Überdehnung des Genicks gehört wohl zum Konzept dieses „Wurfes“.