Verführen oder Reizen Nehmen Treffen

J. Meyer hält nicht viel davon einen Gegner einfach anzugreifen.

Er verwendet zwei verschiedene Prinzipien, die letztendlich ineinander greifen.
Sein Wunsch ist es den Gegner zunächst einmal über seine eigene Absicht zu täuschen. Das geht über das Verführen.

Mit dem Verführen bringst Du ihn dazu etwas anderes zu tun, als das, was gerade richtig ist.

66r, 67v „Dieses Verführen sollst Du gegen die Gegner gebrauchen, die ohne alle Arbeit in ihrer Versatzung stehen … und darauf warten, dass Du Dich verhaust oder verstichst. Die musst Du … aus ihrem Vorteil reizen.
Ohne dass Du im Vorteil bist, darfst Du ihn nicht angreifen, denn Du musst dafür sorgen, dass er Dich nicht in Deinem eigenen Stück fängt.“

66r „So musst Du Dir das Reizen, Nehmen und Treffen,... gut merken.
Denn alles Reizen … dient … dazu, Deinen Gegner dazu zu bringen, sich selber, durch seine Haue oder Stich, aus dem eigenen Vorteil zu bringen.
Sobald er dann haut oder stich, … nimmst Du ihm diesen Hau ab und schwächst ihn …, so das Du ihn im dritten Schritt, bevor er sich wieder erholt, ohne selber in Gefahr zu Schaden zu kommen, treffen kannst.

Und danach, bevor er sich wieder erholt, bereit bist, Dich mit Schutzhiebe (Schirmstreichen) zu verteidigen, bevor er erneut angreifen kann.“

67r Reizen: „Findest Du den Mann einer Hut, in der er auf Deine Stiche oder Hiebe wartet, so schlage zur der nächsten Blöße, ohne dass Du ihn treffen willst.
Achte darauf, dass Du nicht zu nahe bei ihm bist.
Und achte darauf, dass Du Dich mit diesen Hauen nichts vergibst oder Dein Rappier zu weit von Du weg hältst. Behalte Deine Waffe in der Nähe bei Dir in guter Stärke und unter voller Kontrolle.
Verstelle Dich aber mit Gebärden so, als hättest Du Dich verhauen hättest.

(Nehmen🙂 Aber sobald er Deiner gegebenen Blöße zueilt, mit Hieben und Stichen, so sei sofort wieder zum Angreifen bereit und schlage seine Dich angreifenden Hiebe und Stiche mit Deiner Stärke, oder schlage mit einem Dämpfhau von oben darauf.
Das heißt Nehmen, weil Du seine Waffe sofort mit Gewalt ausnimmst, bevor er damit rechnet.

(Treffen🙂 Sobald Du ihm seine Hiebe und Stiche also genommen hast, eilst Du der nächsten Blöße zu, mit Schlägen und Stichen.
Dieses Nachhauen heißt dann der Treffer.

So hast Du Reizen, Nehmen und Treffen.

Das ist aber nichts anderes als:

  • Ihm einen Grund zum Angreifen geben.
  • Den Angriff geruhsam versetzen oder abtragen und
  • danach zur nächsten Blöße haue

Und sei nicht der Meinung, dass Du mit einem Reizhau oder auch mit dem Nehmen, nicht treffen sollst, wenn Dir das möglich ist.
Die Haue werden nur aus dem Grund so genannt, weil es die übliche Meinung ist, dass man entweder zu einem Vorteil reizen kann, oder den angreifenden Hau abnehmen oder abtrage.
Wenn Du währenddessen auch triffst ist das (unproblematisch) denn diese drei Stück kannst Du auch mit einem Hau vollbringen.“

Meyer Rapierfechten ist zu einem großen Teil ein Pararde-Riposte-Fechten.
Was nicht bedeutet, dass er ein Fechten im Indes mit Versetzen und Verletzen nicht kennen würde. Das zeicht sich in seinem Hieben und darin, dass er durchaus dagegen sticht und trifft, wenn er gestochen wird.

Aber das ist nicht die Philosophie, die als roter Faden durch seine Stücke zieht.

Seine Grundphilosophie ist: Immer erst versetzen, dann wenn er durch das Versetzen aus seinem Stück gebracht wurde möglichst schnell einen Gegenangriff führen. Meyer Rapierfechten ist ein Fechten aus dem Nach.

65 v, 66r

Das Verführen mit der Waffe

“ ist … dass ich meine Hiebe gegen eine Blöße führe und .., wenn er … den Angriff abwehren will,…diesen Hieb verzucke und im gleichen Flug, eine andere Blöße angreife …Wenn Du den Mann oben angreifen willst, dann winke und drohe vorher nach unten.
Wenn Du ihn auf der linke Seite treffen willst, so bedrohe zuerst zu seiner rechten Seite. So dass er mit der Waffe in diese Richtung wenden muss und Dir so zur anderen Seite eine Blöße gibt.“

65v – 66r Stück 36 Verführung aus dem Zornhau

„Führe einen gewaltigen Zornhau gegen seine linke Seite, währenddessen und bevor dieser Schlag den halben Weg gelaufen ist, wende die Kurze Schneide, noch in der Luft, während die Klinge zu ihm heran fährt, zu ihm nach innen. Es schein dann, als ob Du ihm zum Gesicht stechen wolltest.

Mit dieser Verwandlung in der Luft bereitest Du Dich für den folgenden Schlag vor, den Du dann zu seiner linken Seite führen sollst. Dabei ist es egal ob Du nach oben oder nach unten schlägst.“

66r

Das Verführen mit Gebäden

„Dieses Verführen ist dem anderen Verführen mit Gebärden ähnlich. … Wobei das Verführen mit Gebärden, genau wie das mit der Waffe in der Summe nichts anderes ist, als ein Hau oder Stich, der auf einen Punkt zeigt und auf einem Anderen vollendet wird.“

66 v

Stück 37 Verführer aus der Eisenport. Finte: Gesichtstich. Schlag zum Oberschenkel

„Also, wenn sich Dein Gegner in der rechten Unterhut befindet, dann begeben Dich in die Eisenport und tue so, als ob Du ernsthaft zu seinem Gesicht stechen wolltest. Um das zu tun, erhebe Deinen rechten Fuß und richte Deinen Blick starr auf sein Gesicht und führe ihm mit beweglichen Armen und zu gestreckten Händen, mit gerümpfter Nase und aufgehobenem Fuß, die Spitze gegen sein Gesicht, als ob Du ernsthaft zustehen wolltest. Indem Du zustichst, wendest Du die Lange Schneide zu Deiner linken nach oben.

Du erschreckst ihn also mit dem Stich, dass er schnell gegen das Zufechten auffährt um zu versetzen.

Lasse Deinen Stich, während Dein Gegner auffährt, um Deinen Kopf fahren und schlage mit gebücktem Leib von außen, mit einem weiten Zutritt zu seinem rechten Oberschenkel.

Fahre schnell mit einem Wehrstreich auf um Dich zu schützen.“

66v

Stück 38 Verführer aus der Eisenport. Finte: Schenkelhieb. Gesichtstich

„begibt Dich in die Eisenport … und stelle Dich so an, als wolltest Du ihn zum Unterschenkel schlagen.
Und das machst Du so: Sieh ihm im Zufechten auf seinen vorderen Fuß. Erhebe währenddessen Deine Waffe und bücke Deinen Körper mit aufgehobenem Fuß, so als ob Du mit einen Ausfall nach unten schlagen wolltest.

Aber, während Du Deinen Fuß im Ausfall herunter setzt, dahin, wohin Du Deine Waffe gehoben hast, stichst Du vor Dich hinein zu seinem Gesicht. Behalte während Du zu seinem Gesicht stichst und Deine gesamten Gebärden auf seinen Unterschenkel gerichtet.
Er merkt den Stich erst, wenn er von ihm getroffen wird.

Das Anheben Deiner Waffe zum Hieb ist für Dich eine Vorbereitung zum Stich.
Der Schritt und der Stich enden zugleich.

67r

Stück 39 Reizen, Nehmen, Treffen